Nachhaltigkeit in der Hotellerie

Fassade-Renthof-Kassel
Fassade des Renthofs in Kassel

Nachhaltigkeit in der Hotellerie und Gastronomie – von einer Idee zur Lebenseinstellung

Der Renthof Kassel ist mit zwei weiteren Hotels die nachhaltigste Übernachtungs- und Restaurantadresse in Kassel und Nordhessen. Mit der Direktorin Jasmin Ohlendorf hat Michael Kugel von FairWine über Nachhaltigkeit gesprochen.

M. Kugel: Frau Ohlendorf, Sie sind stellvertretende Vorsitzende des DEHOGA-Bundesausschusses für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit. Wie kommt man zu so einen Job?

Foto Jasmin Ohlendorf
Jasmin Ohlendorf, Direktorin im Renthof Kassel

J. Ohlendorf: Über die Mitgliedschaft im DEHOGA bin ich dazu angefragt worden. Wir sind mit dem Renthof in Punkto Nachhaltigkeit schon seit langem im Thema und auch sehr aktiv. Somit sind wir und unser Konzept dem DEHOGA positiv aufgefallen.

M. Kugel: Nicht nur dem DEHOGA, in Kassel spricht man darüber.

J. Ohlendorf: Das freut uns auch sehr. Wir möchten ein Zeichen setzen und die gesamte Branche dazu animieren nachhaltiger zu werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns einem ernsthaften, nachhaltigen Wirtschaften nicht mehr entziehen können. Das wird auch der DEHOGA so sehen, so freue ich mich, dass meine Erfahrungen gefragt sind und ich mich mit „Best Practice – Beispielen“ einbringen kann.

M. Kugel: Was heißt denn im Hotelbetrieb „Nachhaltigkeit“ und was fällt darunter?

J. Ohlendorf: Angefangen hat es zunächst mit der Idee, hauptsächlich auf regionale Produkte in unserer Restaurantküche zu setzen und diese zu verarbeiten. Während der Corona-Pandemie hatte unser Haus über 5 Monate geschlossen. Somit hatten wir Zeit ein Konzept aufzustellen und auszuarbeiten, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet. Wir haben unser Haus vom Keller bis zum Dachgeschoss, vom Restaurant über die Küche bis hin zu unserem Hotel genauer unter die Lupe genommen. Hierbei haben wir für uns Nachhaltigkeit wie folgt definiert:

  • Wir möchten unseren ökologischen Fußabdruck senken und dazu beitragen Emissionen, Energie, Abfall und Wasser pro Gast einzusparen sowie die Artenvielfalt und das Tierwohl zu stärken.
  • Wir möchten unsere Region unterstützen, indem wir Waren und Dienstleistungen, wann immer möglich, regional beziehen. Dabei sind wir an langfristigen Partnerschaften interessiert – zu Partner*innen, die die gleichen Werte teilen wie wir.
  • Wir möchten ein sozialer und fairer Arbeitgeber sein, der ebenso für seine Mitarbeiter*innen da ist, wie für seine Gäste. Unser Haus soll allen offen stehen– geschlossen sind wir nur gegen Ausgrenzung.

Je mehr man sich mit der Thematik auseinandersetzt, umso schneller wird deutlich, dass es noch so viel gibt – an dem man auch für die Zukunft weiterarbeiten kann und muss. Nachhaltigkeit ist kein Projekt, sondern eine Lebenseinstellung und Aufgabe. Zudem stößt man auch an Grenzen und muss Kompromisse eingehen, gerade wenn man ein internationales, anspruchsvolles Gästeklientel beherbergt. Man stellt sich gerade am Anfang auch die Frage, wie kann ich das schaffen?

M. Kugel: Wie ging es dann mit dieser Idee weiter?

J. Ohlendorf: Wir haben mit allen Mitarbeiter:innen des Hauses eine Strategie entwickelt und ein Nachhaltigkeitskonzept erstellt.
Nachhaltigkeit verbindet und lässt einen Prozess entstehen, an dem man gemeinsam weiterarbeiten muss. Wir möchten nicht nur ein Konzept für unser Haus präsentieren, sondern auch alle Gäste dabei mitnehmen. Das fängt bei dem Verzicht auf die tägliche Zimmerreinigung an und hört bei einem Hinweis zum Thema Wassersparen während des Duschvorgangs noch lange nicht auf.

M. Kugel: Das hört sich nach Arbeit an.

J. Ohlendorf: Das ist auch- ein riesiger Berg von Arbeit, der mit ausreichender Motivation und Energie gut angegangen werden kann. Wir haben für unser Haus die Entscheidung getroffen, einen nachhaltigen Weg zu gehen und es gibt für uns auch kein Zurück mehr. Wir haben uns an der ein – oder anderen Stelle Unterstützung gesucht und sind somit zum Beispiel auf GreenSign gestoßen. Dies ist für uns eine glaubwürdige Zertifizierung- mit einem integrierten Umweltmanagementsystem, welches zu uns und unserem Haus passt. Gemeinsam mit Armin Wolff – einem Sustainability Auditor von GreenSign – konnten wir den Zertifizierungsweg gut bestreiten.

Logo Greensign

M. Kugel: Dann sprechen wir mal kurz über diesen Berg, was gehört denn noch dazu bis man ganz oben steht?

J. Ohlendorf: Neben dem Einkauf, der Regionalität und Mobilität beschäftigen wir uns auch mit sozialer und wirtschaftlicher Verantwortung. Natürlich haben wir auch die ganz klassischen Umweltfragen wie Abfallvermeidung, Energie- und Wasserverbrauch. Das Management, die Organisation und auch Durchsetzung von aufgestellten Zielen liegen in unserer Verantwortung.

Hier müssen alle Mitarbeiter: innen mitgenommen und auf die Themenschwerpunkte sensibilisiert werden. Dies gelingt nur mit einer guten Kommunikationsstrategie und stetigen Schulungen.
Auch das Thema Qualität steht permanent auf dem Prüfstand. Arbeitsabläufe und Produkte werden hinterfragt und vor der Beschaffung stets bewertet.

Auch musste sich unser Innen- und Außenkommunikation verändern. Es wurde ein Leitbild erstellt. Am Ende betrifft es über 100 Kriterien unterteilt in 8 Bereiche. Darunter finden sich ISO 14001 (EMAS/Umweltmanagement), ISO 26000 (Corporate Social Responsibility) und die Global Sustainable Tourism Criteria. Aber auch die zurzeit in aller Munde liegenden Zielsetzungen der Vereinten Nationen- die sogenannten SDGs mussten für unser Unternehmen erkannt- erklärt und umgesetzt werden. Mehr auf https://www.greensign.de/zertifizierung/greensign-hotel/

M. Kugel: Ihr Haus hat das GreenSign Level 4, was kommt danach?

J. Ohlendorf: Wir sind schon gut, aber noch nicht da, wo wir hin wollen. Die Zertifizierung gilt auch nur für 3 Jahre. Ein Jahr ist schon fast wieder um. Wir arbeiten heute schon an den Themen, die für Level 5 erreicht sein müssen. Jedes Jahr wollen wir nachweislich besser sein. Das ist schon eine Herausforderung. Unsere Branche hat es derzeit auch nicht ganz so leicht. Fachkräftemangel, höhere Preise für Lebensmittel und Energie. Aber nur so gehts. Nachhaltigkeit ist für uns kein Lippenbekenntnis. Wir wollen zeigen, dass es geht und wir es auch können.

Zurzeit beschäftigen wir uns stark mit dem Themenschwerpunkt der Energieeffizienz. In der letzten Woche haben wir ein Energieaudit durchgeführt und warten nun auf die Auswertung, um auch hier noch weiter handeln zu können.
Ein wichtiger Punkt hierzu wird es sein- gemeinsam mit dem evangelischen Kirchenamt (die Brüderkirche grenzt direkt an den Renthof an) eine Lösung zum Thema Solarenergie im Einklang mit dem Denkmalschutz zu finden. Auch dies ist ein spannendes Thema.

Fassade-Renthof-Kassel
Fassade des Renthofs in Kassel

M. Kugel: Ich weiß, dass Sie es erst nehmen. Ich hatte mir in meiner Funktion als Weinexperte Ihre Weinkarte genauer angeschaut. Diese ist gut und gefällt mir. Darin sind wunderbare Weine, tolle Weingüter und fast konsequent alles aus Deutschland.

J. Ohlendorf: Danke, dass Ihnen die Karte gefällt. Mir gefällt sie auch, aber hier kann ich vielleicht kurz auf die Kompromisse eingehen, von denen ich vorhin gesprochen habe. Wein wächst ja nicht in Nordhessen und selbst wenn eines Tages bei uns vor der Tür Weinbau stattfände, dann wird es nicht ausreichen, unseren Gästen nur diesen Wein auszuschenken. Wir wollten dennoch die „kürzesten Wege“ und haben uns deshalb ganz konsequent für Weine aus Deutschland entschieden. Auch finden Sie bei uns in der Spirituosenkarte nur Spirituosen aus Deutschland. Dies ist auch ein weiterer Schritt in Sachen Nachhaltigkeit für uns.

M. Kugel: „FAST“!

J. Ohlendorf: Ja, fast. Das (fast) hat damit zu tun, dass wir noch Bestände haben aus der Zeit bevor wir diese Entscheidung getroffen haben. Die Weine aus Spanien, Frankreich und Italien sind klasse, wir verkaufen diese nun ab, was auch mit Nachhaltigkeit zu tun hat, nämlich verantwortungsvoll mit der Ware umzugehen. Aber bald sind diese Weine ausgetrunken, dann haben wir Platz für weitere Weine aus deutschen Regionen.

M. Kugel: Wie schön, denn wir haben an anderer Stelle schon über den Fair-Wine-Award gesprochen, ein neuer Weinwettbewerb, der sich ebenfalls sehr stark mit den nahhaltigen Themen der Weinwirtschaft beschäftigt. Aktuell können Weinbaubetriebe ihre nachhaltig erzeugten Weine zum Award anmelden. Mehr unter fair-wine.com. Am 6. März 2023 werden die Gewinner auf der EUROVINO bekannt gegeben. Mehr unter www.eurovino.info.

J. Ohlendorf: Ich weiß, ich bin auch bereit, den Siegerwein mit in unsere Weinkarte zu nehmen. Dann haben wir nicht nur das Argument der „kurzen Wege“, sondern auch der nachhaltigen Erzeugung.

M. Kugel: Prima, dann besorge ich die Tickets für Karlsruhe, das ist der Austragungsort des Wettbewerbs, und wir fahren dort gemeinsam hin.

J. Ohlendorf: Das klingt nach einem guten Plan und ich freue mich auf Karlsruhe.

M. Kugel: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute im Zeichen der Nachhaltigkeit

J. Ohlendorf: Ich sage auch Danke für Ihr Interesse an unserem Haus und freue mich auf viele weitere gemeinsame Themenschwerpunkte in Sachen Nachhaltigkeit.