Wissenschaftlich haltbar oder missionarische Eiferer am Werk?
Es ist ein komplexes Thema, aber sicher keine Frage von richtig oder falsch, eher eine Frage des persönlichen Geschmacks und Wohlbefindens: Vor allem vor Verallgemeinerungen sollte man sich hüten und letztlich auch an den gesunden Menschenverstand und die Verantwortung jedes einzelnen appellieren.
Die Rede ist vom Umgang mit Alkohol und alkoholischen Getränken.
Sicher ist, dass der Mensch seit Urzeiten mit dem Konsum von Alkohol konfrontiert ist. Die Ernährung mit frischen oder haltbar gemachten Lebensmitteln bringt es zwangsläufig mit sich, dass der Mensch Alkohol mit Nahrungsmitteln und Getränken in unterschiedlicher Konzentration zu sich nimmt. In vielen Nahrungsmitteln ist Alkohol von Haus aus enthalten. Man müsste sich schon vielem entsagen, wollte man sich ganz dem Alkohol entziehen. Zeitweilig dürften die Menschen für ihre Ernährung sogar erhebliche Mengen davon konsumiert haben. Die unterschiedliche Alkoholtoleranz verschiedener Ethnien kommt nicht von ungefähr.
Mehr noch, der menschliche Körper ist in erstaunlichem Maße in der Lage Alkohol zu verarbeiten.
Ein Großteil des Alkohols wird in der Leber verstoffwechselt. Ein normalgewichtiger Mensch, ist aufgrund seiner Physiologie in der Lage am Tag rund 240 Gramm Alkohol umzusetzen. Das folgt aus den enzymatischen Reaktionen, die für den Ab- oder Umbau von Alkohol im Körper verantwortlich sind. Das wird aus wissenschaftlicher Sicht von niemand bezweifelt.
Täglich 240 Gramm Alkohol zu sich zu nehmen, wird auf Dauer sicher zu viel sein. Schädliche Nebenwirkungen eines solchen Konsumniveaus würden sich rasch bemerkbar machen. So weit, so gut, schon seit langem propagieren auch die Erzeuger alkoholischer Getränke einen verantwortungsvollen Umgang und moderaten Konsum von alkoholischen Getränken.
Bislang wurde für Männer in etwa ein Zehntel und für Frauen nochmal die Hälfte weniger als unbedenkliche tägliche Menge angesehen.
Das sind 20 bis 25 Gramm Alkohol für Männer pro Tag, respektive 10 bis 12 Gramm Alkohol für Frauen pro Tag. Diese Mengen galten bisher als Empfehlung für einen moderaten Konsum.
Auf diesem Level bewegt sich derzeit auch der Konsum alkoholischer Getränke in Deutschland, sofern man in der Lage ist mit Alkoholgehalten und verzehrten Mengen richtig zu rechnen. Dieser moderate Konsum wurde bisher auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) getragen und empfohlen, die jetzt in einem neuen Positionspapier ihre Ansicht jedoch revidierte.
Nun empfiehlt die DGE ganz auf Alkohol zu verzichten nach dem Motto „No safe level“ und übernimmt damit die Argumentation einer Studie der WHO, die sich als ein ziemliches Sammelsurium unterschiedlichster teils widersprüchlicher Studien entpuppt, die von der DGE mit eigenen Angaben für ihr Positionspapier angereichert wurde.
So räumt die DGE ein, dass es derzeit keine aktuellen repräsentativen Angaben für die durchschnittliche Zufuhr alkoholischer Getränke in Deutschland gibt. Zitiert dann aber eine 2008 publizierte Angabe aus der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II, 2005–2007), die vermutlich wenig mit der Wirklichkeit des heutigen Konsums zu tun hat.
Damit stellt sich die Frage, ob die platte Übernahme dieser Empfehlung durch die DGE aus wissenschaftlicher Sicht haltbar ist oder doch eher einem zeitgeistigen Modetrend entspringt.
In einem eigenen Positionspapier, das Ende Oktober 2024 publiziert wurde, zeigen Vertreter der deutschen Wein- und Brauwirtschaft auf, dass die Empfehlung der DGE wissenschaftlich nicht haltbar ist und die DGE die Aussagekraft der herangezogenen Studien selbst in Zweifel zieht.
Ich denke, dass auch zukünftig die Empfehlung eines moderaten Konsums alkoholischer Getränke gelten kann und jeder für sich selbst entscheiden sollte, ob er alkoholische Getränke konsumieren will oder nicht.
Mit der Behauptung, jeglicher Konsum alkoholischer Getränke sei schädlich, reiht sich die DGE in die Riege missionarischer Eiferer ein.
Das Positionspapier der Wein- und Brauwirtschaft ist in jedem Fall lesenswert und trägt sicher zur Versachlichung der Diskussion bei. Das mit vielen Quellenhinweisen gespickte Papier finden Sie hier: https://deutscher-weinbauverband.de/wp-content/uploads/2024/11/Verbaendeposition-No-safe-level-Okt.-2024.pdf
Hermann Pilz